Streit lässt sich als offene Auseinandersetzung über unterschiedliche Meinungen definieren. Auch wenn jeder Streit feindselig werden kann: Die Konsequenz sollte nicht sein, dass wir Streit vermeiden, sondern immer wieder nach Wegen suchen, wie eine offene Auseinandersetzung ohne Feindseligkeit möglich wird. Streitvermeidung hat auf Dauer die gleichen problematischen Konsequenzen wie feindseliger Streit. Sowohl Streitvermeidung als auch feindseliger Streit machen unglücklich, verhindern Kreativität, zerstören soziale Beziehungen und schwächen den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Hinzu kommt, dass sich Streitvermeidung und feindseliger Streit wie in einem Teufelskreis gegenseitig verstärken. Streit als Ausdruck von Wertschätzung betont die positiven Wirkungen des Streitens: Streiten ermöglicht persönliche Weiterentwicklung, Streiten fördert Kreativität, Streiten stärkt Beziehungen und Streiten hält unsere Gesellschaft zusammen.
Aktuell beobachten wir in unserer Gesellschaft bezogen auf die demokratische Streitkultur zwei Probleme: Zum einen die Tendenz, die offene Auseinandersetzung zu vermeiden, und zum anderen einen Hang zur Feindseligkeit gegenüber Andersdenkenden, insbesondere wenn sich die Unterschiede auf konfliktträchtige Themen wie Integration, Klimaschutz oder Gender beziehen. Sowohl feindseliger Streit als auch Streitvermeidung sind in ihren Wirkungen jedoch sehr problematisch und führen unter anderem zu Politikverdrossenheit oder Politikverachtung.
Nötig ist deshalb eine Balance zwischen einer offenen Auseinandersetzung und der Akzeptanz von Grenzen. Wenn diese Balance gelingt, kann Streit positive Wirkungen auf individueller, sozialer und gesellschaftlicher Ebene entfalten.
Die Fortbildung zielt auf die Förderung einer demokratischen Streitkultur. Der provokante Titel soll die Notwendigkeit von Streit für unsere Gesellschaft unterstreichen und neugierig auf die Begegnung mit Andersdenkenden machen. Normativ geht es zum einen darum, Gelassenheit im Umgang mit Differenzen und mit einer streitbaren Auseinandersetzung zu verankern. Zum anderen geht es um die Sensibilisierung für die Stärkung einer wehrhaften Demokratie sowie die Befähigung zu einer angemessenen Balance zwischen Diskursfähigkeit sowie Abgrenzung gegenüber Intoleranz und Demokratiefeindlichkeit.